Zelluläre Automaten illustrieren/modellieren, wie komplexe Strukturen sich aus einfachen Regeln ergeben können, wobei man den Regeln nie ansehen könnte, welche enormen Regelmäßigkeiten und komplexe Gebilde sie erzeugen.
Diese Automaten können selbst einfach sein – das heißt, einfache Regeln haben –, es können aber auch sehr komplexe Automaten konstruiert werden.
Ein einfacher zellulärer Automat „besteht aus Reihen von Zellen, die die Farben schwarz oder weiss annehmen können. Es existiert eine Regel, die für jeden Schritt die Farbe der nächsten Zelle festlegt, je nach der Farbe der über ihr stehenden Zelle und deren rechten und linken Nachbarn.“ (A New Kind of Science by Stephen Wolfram, 2002, Seite 24, übersetzt von mir)
Komplexere Automaten entstehen, wenn man z.B. die Nachbarschaft vergrößert, die Anzahl der Dimensionen oder die Anzahl der Farben. Wobei Farben lediglich der Visualisierung dienen. Ziffern oder andere Zeichen, jede Art von unterscheidbaren Zustandsbeschreibungen wären anwendbar, also auch Farben.
Im einfachsten Fall kann eine Zelle mit je einem linken und rechten Nachbarn und zwei Farben 2³ = 8 verschiedene Nachbarschaften (Fälle) bilden. Eine Regel ordnet nun jedem Fall die Farbe der neuen Zelle zu. Es gibt dann 2 hoch 8 = 256 Regeln.
Man sieht, Regel Nr. 0 ordnet jedem Fall weiß zu und ergibt ein komplett weißes Tableau, Regel Nr. 155 ordnet jedem Fall schwarz zu und ergibt ein komplett schwarzes Tableau. Ganz anders dagegen sieht das Bild bei Regel Nr. 30 aus:
Unter ästhetischen Gesichtspunkten sind solche einfachen Automaten von begrenztem Interesse. Für mein Bild wollte ich einen eindimensionalen Automaten konstruieren mit je einem linken und rechten Nachbarn und 14 Farben. 14 Farben deshalb, weil dieses neue Werk in einem Zusammenhang steht mit meinem Bild Nr. 131 – Gaußscher Verlauf – von 2006. Bei dem die Farbe für jedes Feld zufällig festgelegt wurde, jedoch bei von mir vorher konstruierter Struktur der Wahrscheinlichkeitsverteilung. Damals hatte ich 14 Farben für das Bild ausgewählt. Für das neue Bild verwende ich die gleichen Farbtöne.
Dieses Mal aber wird die Farbe für jedes Feld durch den zellulären Automaten festgelegt. Meine gestalterische Freiheit liegt dann darin, die Regel auszusuchen, die das Bild erzeugt.
Das Hauptproblem dabei ist die enorme Anzahl von Regeln. Denn bei dem von mir programmierten Automaten sind es nicht mehr 256 Regeln, die man sich mal eben anschauen kann. Der zelluläre Automat, mit dem ich arbeite, hat 14³ = 2744 Fälle, wie 14 Farben in drei Feldern angeordnet werden können und daraus resultieren 14 hoch (14³) Regeln. Die Zahl, die vom Rechner angezeigt wird, nimmt eine ganze DIN A4 Seite ein.
Bei der größtmöglichen Regel wäre das Bild vollkommen schwarz, bei der kleinsten Regel vollkommen weiß, genau wie bei den einfachen zweifarbigen Automaten. Dazwischen liegt aber eine gewaltige
Menge von Bildern, die meisten sehr monoton. Wie findet man eine interessante Regel in 14 hoch 2744 Regeln? Hier konnte mir keine Programmierung mehr helfen. Diese Entscheidung musste ich manuell fällen in einem Suchprozess, in dem ich Milliarden von Bildern überspringen musste, um den Bereich einzugrenzen, der ästhetisch interessant war.
Üblicherweise stellt man die Entwicklung der Automaten zeilenweise von oben nach unten dar. um aber eine längere Entwicklung des Automaten beobachten zu können, habe ich ihn um 90 Grad gedreht, die Entwicklung geht daher spaltenweise von links nach rechts.
Unsere Sprache kann die Millionen darstellbarer und wahrnehmbarer Farbtöne nur äußerst unzureichend beschreiben. Die naturwissenschaftliche Farbtheorie dagegen schon. Danach werden Farbtöne in einem dreidimensionalen Farbraum angeordnet gemäß ihrer drei Grundeigenschaften: Helligkeit, Farbton und Sättigung. Jeder Farbton ist durch einen Ort im Farbraum numerisch eindeutig festgelegt. Der CIELab Farbraum wurde von der 1903 gegründeten internationalen Beleuchtungskommission CIE im Jahr 1976 festgelegt. Lab bezeichnet die drei Achsen des Farbraumes.
Die drei Tafeln zeigen eine Auswahl von Farbtönen aus den Bereichen
Rot, Grün und Blau.
Jede Tafel enthält 5 reine Farbtöne, davon jeweils 3 Aufhellungen, 3 Verdunkelungen, 1 mittleres Grau, 3 hellere und 3 dunklere Grautöne.
(Abb. FH
Köln)